Fabeln, Legenden, Märchen ...

Die Fabel vom Affenmeister
(Gene Sharp)
Im Feudalstaat Chu überlebte ein alter Mann, in dem er Affen hielt, die für ihn sorgten. Die Menschen in Chu nannten ihn »ju gong«, den Affenmeister. Jeden Morgen versammelte der alte Mann die Affen im Hof seines Hauses und befahl dem ältesten von ihnen, die anderen in die Berge zu führen, wo sie von Sträuchern und Bäumen Früchte sammeln sollten. Die Regel lautete, dass jeder Affe ein Zehntel des von ihm Gesammelten an den alten Mann abzugeben hatte. Wer das nicht tat, wurde brutal geschlagen. Alle Affen litten bitterlich, wagten es jedoch nicht, sich zu beklagen.
Eines Tages fragte ein kleiner Affe die anderen: »Hat der alte Mann all die Sträucher und Bäume gepflanzt?« Die anderen antworteten: »Nein, sie sind ganz natürlich gewachsen.«
Der kleine Affe fragte weiter: »Können wir die Früchte nicht ohne Erlaubnis des alten Mannes nehmen?« Die anderen erwiderten: »Ja, das können wir alle machen.« Der kleine Affe fuhr fort: »Warum sollten wir dann von dem alten Mann abhängig sein; warum müssen wir ihm alle dienen?« Noch bevor der kleine Affe seine Ausführungen beenden konnte, ging allen Affen plötzlich ein Licht auf und sie erwachten.
Noch in der gleichen Nacht warteten die Affen, bis der alte Mann eingeschlafen war, und rissen dann die Umzäunungen des Geheges nieder, in dem sie eingesperrt waren, und zerstörten das Gehege vollständig. Sie nahmen zudem die Früchte, die der alte Mann gelagert hatte, mit sich in die Wälder und kehrten nie mehr zurück. Der alte Mann starb schließlich an Hunger.
Yu-li-zi sagt: »Manche Menschen auf dieser Welt regieren ihr Volk durch Hinterlist und nicht durch rechtschaffene Prinzipien. Sind sie nicht genauso wie der Affenmeister? Sie sind sich ihrer Wirrköpfigkeit nicht bewusst. Sobald ihrem Volk ein Licht aufgeht, funktionieren ihre Hinterlisten nicht mehr.«
 
Der graue Fuchs und der Drache
(Äsop – griechischer Dichter, ca 6. Jahrhundert)
Eines Tages traf eine graue Füchsin im Wald auf einen roten Fuchs. Sie wanderten gemeinsam weiter und unterhielten sich dabei. Einmal fragte der rote Fuchs: "Verzeih die Frage, aber welche Farbe hat dein Fell? Ich habe diese Fellfarbe noch nie bei einem Fuchs gesehen." Die graue Füchsin antwortet: "Wie du sehen kannst, ist mein Fell grau." Nach langem Nachdenken antwortet der rote Fuchs: "Ich habe schon viele Füchse getroffen, aber noch nie einen mit grauem Fell. Warst du vielleicht einmal rot und dein Fell ist durch das Alter grau geworden?" Die Füchsin antwortet: "Nein, mein Fell war schon immer grau.", worauf der rote Fuchs antwortet: "Das kann nicht sein. Füchse sind rot, oder weiß oder braun aber niemals grau." Daraufhin stieß die Füchsin ein Geheul aus, und mit lautem Brüllen und Flügelschlagen erschien ein Drache. Die Füchsin erzählte dem Drachen von dem Gespräch, worauf der Drache antwortet: "Ich kenne diese Füchsin schon lange, und ihr Fell war immer grau. Warum akzeptierst du das nicht einfach?" Da kriegt es der rote Fuchs mit der Angst zu tun und wimmert: "Oh mächtiger Drache, ich kenne viele Füchse, und wenn du mich gehen lässt, garantiere ich dir zum Dank große Reichtümer.", doch der Drache widerspricht: "Ich bin nicht an Schätzen interessiert, und habe keinen Hort. Ich möchte nur meiner Freundin helfen." Darauf sagt der rote Fuchs: "Aber es ist doch weithin bekannt, dass Drachen Schätze über alles lieben. Und ich verspreche dir so viele Schätze wie du wünschst, wenn du mich nur leben lässt." Die Antwort des Drachen war: "Du täuschst dich, roter Fuchs. Nicht alle von uns lieben Schätze, und ich am wenigsten. Alles was ich dafür möchte, dass ich dich leben lasse, ist dass du dich bei der Füchsin entschuldigst." Darauf sagt der Fuchs: "Dann bist du kein Drache. Alle Drachen lieben Schätze, und die Liebe zu Schätzen ist für Drachen essentiell. Ich kann dich nicht als Drachen anerkennen." Da stieß der Drache einen Feuerstrahl aus und verbrannte den roten Fuchs. Dieser rollte sich am Boden, um das Feuer zu löschen. Nachdem sie dies einige Zeit beobachtet hatten, gingen der Drache und die Füchsin weg. Dabei sagte der Drache: "Vielleicht wirst du eines Tages verstehen, dass es mehr Dinge in der Welt gibt als das was du gesehen oder wovon du gehört oder was du dir vorstellen kannst. Vielleicht wirst du eines Tages erkennen, dass ein Drache ein Drache ist, egal wie sehr du es bestreitest."

Die Moral der Geschichte:
Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern, als ein Atom (Albert Einstein)
Vorurteile sind die Vernunft der Narren. Voltaire
 
Der Drache und der Bauer
Ein Drache wohnte in einem fließenden Wasser, und auf eine Zeit, da das Wasser sehr wuchs, führte es den Drachen mit fort, bis es wieder abnahm. Als es ganz verlaufen war, blieb der Drache auf trockenem Lande liegen, und er konnte nicht weiterkommen. Derweil er also lag, ging ein Bauer des Weges mit seinem Esel und sprach: »O Drache, wie liegst Du hier?«
Der Drache antwortete: »Als das Wasser wuchs, bin ich ihm gefolgt, und als es verlaufen ist, hat es mich auf dem Trocknen gelassen, und nun kann ich nicht mehr ins Wasser kommen. Willst Du mich aber binden und auf Deinen Esel legen und wieder in meine Behausung bringen, so sollst Du von mir Gold und Silber dafür empfangen.« Der Bauer ward zum Mitleid bewogen, band den Drachen, legte ihn auf den Esel und brachte ihn nach seiner Wohnung zurück. Nachdem er ihn von dem Esel gehoben und ihm alle Bande gelöst hatte, begehrte er seinen Lohn in Gold und Silber. Der Drache aber sprach: »Begehrst du Lohn dafür, dass du mich gebunden hast?« Der Bauer sprach: »Du hast mich ja darum gebeten!« Der Drache sprach: »Ich will dich zum Lohne fressen, denn ich habe großen Hunger.« Der Bauer versetzte: »So wolltest du mir Übles für Gutes geben?« Als sie so sprachen, kam ein Fuchs dazu, und als der den Streit der beiden vernahm, sprach er: »Brüder, warum streitet ihr miteinander?« Der Drache antwortete: »Der Bauer hat mich hart gebunden, auf den Esel gelegt und hierher geführt.« Der Mann entgegnete hierauf: »Höre mich, lieber Fuchs! Der Drache ist von einem wachsenden Wasser hinweggeschwemmt worden und zuletzt auf dem trocknen Sande liegen geblieben. Als ich vorüberkam, bat er mich, ihn gebunden auf den Esel zu legen und wieder in seine Behausung zu führen; dafür versprach er mir Gold und Silber, nun aber will er mich - fressen.« Da sprach der Fuchs: »Du hast töricht getan, dass du ihn gebunden hast. Darum zeige mir, wie du ihn gebunden hast, so will ich alsdann richten zwischen euch.« Der Bauer fing an, den Drachen zu binden. Danach fragte der Fuchs den Drachen: »Hat dich der Bauer so hart gebunden?« Der Drache antwortete: »Nicht allein so hart, sondern hundertmal härter!« Da sprach der Fuchs zu dem Bauern: »Binde ihn härter!« Der Bauer, der sehr stark war, band den Drachen mit aller Kraft. Da sprach der Fuchs zu dem Drachen: »Hat er dich so hart gebunden?« Der Drache antwortete: »Ja, Herr Fuchs, er hat mich wohl so hart gebunden.« Da sprach der Fuchs zu dem Bauern: »so verknüpfe die Bande gar wohl; leg ihn auf den Esel und führ ihn wieder dorthin, wo du ihn gefunden hast! Dort Lass ihn so gebunden liegen; so kann er dich nicht fressen.« Der Bauer vollbrachte alles, wie der Fuchs geraten hatte, und war des Drachen ledig.
 
Der Hirsch
Äsop – griechischer Dichter, ca 6. Jahrhundert)
Ein einäugiger Hirsch weidete gewöhnlich auf Wiesen neben dem Meer, und zwar so, dass er immer das gesunde Auge landwärts hielt und wähnte, von der Seeseite her habe er keine Gefahr zu fürchten. Das Schicksal hatte es anders beschlossen: Eines Tages segelte ein Schiff bei ihm vorbei, und da sein gesundes Auge dem Lande zugekehrt war, so bemerkte er es nicht und weidete nichts ahnend fort. Kaum hatten die Schiffer aber die köstliche Beute erblickt, als sie auch schon Pfeile nach ihm abschossen. Ein Pfeil traf ihn gerade ins Herz, und zusammenstürzend rief er aus: "Wie sehr habe ich mich getäuscht, dass ich nur vom Lande her Gefahr erwartete."

Die Moral der Geschichte:
Nur zu oft weicht man vorsorglich einer Gefahr aus und gerät dabei unvorsichtig in eine andere.
 
Fabel der Wyandot-Indianer:
Menabuscho hatte einen Hirsch geschossen und wusste nun nicht, von welcher Seite er eigentlich anfangen sollte, ihn zu essen.“Fang ich vom Kopf an“, sprach er zu sich selbst, „so sagen die Leute, ich habe ihn kopfwärts gegessen; fange ich an der Seite an, so sagen sie, ich habe ihn seitwärts gegessen und fange ich beim Schwanz an, so lachen mich alle aus und rufen: Menabuscho hat seinen Hirsch schwanzwärts gegessen.“ Während er sich so mit diesen unnützen Gedanken beschäftigte, kam ein stürmischer Wind auf und die Zweige eines nahen Baumes rieben so geräuschvoll aneinander, dass Menabuscho ärgerlich wurde und beschloss, die lärmenden Äste abzuhauen. Er kletterte also auf den hohen Baum; doch kaum war er oben angelangt, da lief ein Rudel hungriger Wölfe herbei, und fraßen den fetten Hirsch vor seinen Augen, ohne dass er es hätte verhindern können.
Seit jenem Tage sagen die alten Medizinmänner: „Wenn Du ein leckeres Stück Fleisch besitzt, so kümmere Dich nicht um Nebensachen.“
 
Die sechs Falken oder der gebrochene Flügel
(Legende der Algonkin)

Sechs junge Falken, von denen Midschidschiquona, der älteste, etwas fliegen konnte, hatte der Tod ihrer Eltern unversorgt und nahrungslos gelassen. Lange hatten sie auf ihre Rückkehr vergeblich gehofft und die jüngeren hatten sich schon mit dem Gedanken des Hungertods vertraut gemacht, als sich Midschidschiquona entschloss die anderen, so gut er es eben vermochte, mit Futter zu versehen.
Eine Zeitlang ging das auch gut, bis schließlich auch er ausblieb. Nun fühlten sich die anderen erst recht unglücklich. Der Winter stand vor der Tür und ihre Flügel waren noch zu schwach um sie in eine wärmere Gegend zu tragen. Einige von ihnen fassten Mut und flogen aus, ihren verunglückten Bruder zu suchen.
Alsbald fanden sie ihn auch. Er hatte sich im Kampf mit einem anderen Raubvogel den Flügel gebrochen.
»Brüder«, stöhnte er. »Mir ist es schlecht ergangen, aber kümmert euch nicht weiter um mich, sondern fliegt davon, um der rauen Zeit zu entfliehen.« »Nein«, schrien sie alle. »Wir verlassen dich nicht, sondern bleiben hier um für dich zu sorgen wie du einst für uns gesorgt hast. Wenn der Winter dich tötet, so mag er uns auch töten, aber solange du lebst bleiben wir bei dir.« Daraufhin trugen sie den Kranken in einen hohlen Baum. Drei blieben ständig zu seiner Pflege an seiner Seite, während die anderen beiden ausflogen, um Futter zu suchen. Midschidschiquona wurde bald gesund und gab seinen Brüdern allerlei Lehren hinsichtlich der Jagd. Dann erschien der Frühling und die Jagd wurde ergiebiger. Lediglich Pipischiwisäns, der Jüngste, brachte nie etwas nach Hause, obgleich er am längsten weg war. Da fragte ihn Midschidschiquona nach der Ursache seines ständigen Jagdunglücks. »Es ist weder meine Schwachheit noch meine kleine Gestalt daran schuld«, erwiderte er, »denn ich töte stets so viele Enten und sonstige Vögel wie ein anderer. Aber wenn ich mit ihnen heimfliegen will, so lauert mir jedesmal eine mächtige Kokokoho (Algonkinwort für Eule) auf und nimmt mir meine Beute wieder ab.« Midschidschiquona flog daher am anderen Tag mit ihm und verbarg sich in der Nähe des Ufers. Pipischiwisäns fing bald eine Ente und gleich darauf erschien auch schon die große Eule um sie ihm wieder abzunehmen. Schnell stürzte nun Midschidschiquona aus seinem Dickicht, packte sie mit seinen scharfen Krallen und trug sie nach Hause. Der Kleine flog nebenher und versuchte ihr die Augen auszuhacken. »Tu das nicht, Bruder«, sagte Midschidschiquona, »denn es ist Unrecht, einen hilflosen Feind zu verstümmeln und ihn zu lehren gegen Schwächere grausam zu sein.«
Darauf lies er die Eule wieder fliegen. Die sechs Falken lebten noch lange Jahre beisammen, und die alten Medizinmänner, die diese Fabel erzählt haben, wollten ihren roten Brüdern und Schwestern damit beweisen, dass Einigkeit in der Familie und Geschwisterliebe jede Not des Lebens besiegen kann.
 
Wie Mais und Bohnen entstanden sind
Ein Susquehanna -Indianer, der sich von einem christlichen Missionar die Geschichte der Sintflut hatte erzählen lassen, gedachte jenen dafür mit einer Sage aus der Mythologie seines Volkes zu belohnen.
»Am Anfang hatten unsere Väter nur Fleisch zu essen, und wenn sie einmal auf der Jagd unglücklich gewesen waren, so mussten sie bitteren Hunger leiden. Nun hatten einst zwei Jäger einen fetten Bären getötet und ein Feuer angezündet, um einige Stücke davon zu braten, als eine große unbeschreiblich schöne Frau aus den Wolken kam und sich vor ihnen auf den Rocky Mountains niederließ. Da sagte der eine zum anderen: ›Das ist ein Geist, der unseren Braten gerochen hat; komm, lass uns ihm ein Stück opfern.‹
Darauf opferten sie ihr den besten Leckerbissen, nämlich die Zunge.
›Kommt nach einem Jahr wieder‹, sagte sie darauf, ›und ihr werdet sehen, dass ich nicht vergessen habe, eure Freundlichkeit zu belohnen.‹
Als das Jahr vorüber war und die beiden Jäger die Gegend wieder besuchten, fanden sie ringsum alles mit den nützlichsten Pflanzen bewachsen. Jene Stellen, die ihre rechte Hand berührt hatte, trugen Mais und diejenigen, auf die sie die linke gerichtet hatte, trugen Bohnen. Dort, wo der Geist gesessen hatte, wuchs die köstliche Tabakpflanze.«
»Ihr Narren!«, entgegnete darauf unwillig der Missionar. »Wie könnt ihr nur an solche dummen Fabeln glauben, die irgendein müßiger Kopf von euch ausgeheckt hat? Was ich euch aber erzählt habe, ist die reinste Wahrheit und stammt aus dem Mund des Allmächtigen selbst!«
»Mein Freund«, erwiderte der Indianer beleidigt. »Es scheint, dass man bei deiner Erziehung doch die Hauptsache vergessen hat. Du sahst, dass ich so höflich war, deine fabelhafte Geschichte zu glauben, warum glaubst du nicht die meine ebenfalls?«
 
Die Legende vom Mais
Vor der Ankunft Quetzalcóatls aßen die Azteken lediglich Wurzeln, die sie gesammelt und Tiere, die sich auf der Jagd erlegt hatten. Es gab keinen Mais, denn dieses so nahrhafte Getreide befand sich hinter hohen Bergen versteckt. Die antiken Götter hatten schon versucht, die Berge auseinanderzuschieben, doch trotz ihrer enormen Kräfte war es ihnen bisher nicht geglückt. Die Azteken beschlossen, sich mit ihrem Problem an Quetzalcóatl zu wenden und dieser antwortete ihnen: „ Ja, ich schaffe das, ich bringe euch das Getreide!“ Quetzalcóatl versuchte nicht einmal, obwohl er sehr stark war, sich anzustrengen, um die Berge zu trennen, denn er war clever und wandte eine List an. Er verwandelte sich in eine schwarze Ameise und marschierte, gemeinsam mit einer roten Ameise, in Richtung der Berge. Schon der Weg allein war voller Schwierigkeiten, aber Quetzalcóatl hatte nur sein sein Volk und dessen Versorgung im Kopf, bemühte sich und überwandt sie alle. Schließlich gelangte er an den Ort, wo der Mais versteckt war. Da er ja eine Ameise war, nahm er nur ein einziges Samenkorn zwischen seine Backen und begab sich auf den Rückweg. Er löste sein Versprechen ein und übergab das Samenkorn an die Azteken. Die Azteken pflanzten es und so wuchs die erste Maispflanze, die sie fortan sähten und ernteten. Das einzelne wertvolle Samenkorn trug zum Reichtum seines Volkes bei, das von nun an stärker wurde, Städte, Paläste und Tempel bauen konnte und von da an glücklich lebten.
 
Der Dreamcatcher
Vor langer Zeit, als die Welt noch sehr jung war, begab sich ein alter spiritueller Führer der Lakota auf einen hohen Berg. Dort hatte er eine Vision. In dieser Vision erschien ihm Iktomi, der große Trickser und Lehrer der Weisheit, in Gestalt einer Spinne. Iktomi sprach zu dem Ältesten in einer Sprache, die nur die spirituellen Führer der Lakota verstehen konnten. Während er sprach, nahm Iktomi, die Spinne, des Ältesten Weidenreifen, der mit Federn besetzt war, einige Pferdehaare, Perlen und Opfergaben und begann, ein Netz zu spinnen. Er sprach zu dem Ältesten über die Lebenszyklen - darüber, wie wir unser Leben als Säuglinge beginnen und uns weiterbewegen zur Kindheit und dann zum Erwachsenenalter. Schließlich erreichen wir das Alter, wo für uns gesorgt wird wie für Kinder - den Zyklus vervollständigend. „Aber”, sagte Iktomi, während er fortfuhr, sein Netz zu spinnen, „in jeder Zeit des Lebens begegnen uns Kräfte - einige gute und einige schlechte. Wenn Du den guten Kräften zuhörst, werden sie Dich in die richtige Richtung lenken. Hörst Du aber auf die schlechten Kräfte, werden sie Dich verletzen und fehlleiten.” Er fuhr fort: „Es gibt viele Kräfte und verschiedene Richtungen, welche hilfreich sein können und Dich unterstützen, in Harmonie mit der Natur wie auch mit dem Großen Geist und seinen wundervollen Lehren zu leben, und solche, die sich einmischen und stören.” Die ganze Zeit, während die Spinne sprach, fuhr sie fort, ihr Netz zu weben, beginnend an der Außenseite und zur Mitte hinarbeitend. Als Iktomi seine Erläuterungen beendet hatte, gab er dem Lakota-Ältesten das Netz und sagte: „Schau, das Netz ist ein vollkommener Kreis, aber da ist ein Loch im Zentrum des Kreises. Benutze das Netz, um Dir und Deinem Stamm zu helfen, Eure Ziele zu erreichen und nutze die Ideen, Träume und Visionen Deines Volkes in sinnvoller Weise. Wenn Du an den Großen Geist glaubst, wird das Netz Deine wertvollen Ideen einfangen, während die schädlichen durch das Loch verschwinden.” Der Lakota-Älteste gab seine Vision an sein Volk weiter, und nun gebrauchen die Lakota den Dreamcatcher als Netz des Lebens:
Der Dreamcatcher wird über ihren Betten aufgehängt, um ihre Träume zu sieben. Das Gute ihrer Träume wird im Lebensnetz gefangen und begleitet sie - aber das Böse rinnt durch das Loch im Zentrum und ist nicht länger ein Teil von ihnen. Die Lakota glauben, dass der Dreamcatcher das Schicksal ihrer Zukunft entscheidet.
 
Der Esel
(Blacky Yoshi ("Idea from a good friend"))
Es gab einmal einen Esel, der sich schon seit Ewigkeiten wünschte ein Pferd zu werden. Als Pferd, dachte er, er müsse nicht mehr so schwere Lasten schleppen und er könnte den ganzen Tag machen was er will. Seine Esel-Freunde stempelten ihn als Tagträumer ab und so lebte er immer einsamer. Doch heute sollte sein Wunsch in Erfüllung gehen.
Er kam zu einem Wunschbrunnen und wurde für einen Monat ein Pferd auf einem Bauernhof. Er graste die ganze Zeit auf der Weide und genoss das neu gewonnene Leben. Jeden Tag lag er die ganze Zeit im Gras, ritt ein bis zwei Mal aus. Doch nach ungefähr einer Woche wurde ihm langweilig, weil er eigentlich nichts zu tun hatte. Hinzu kam noch, dass die anderen Pferde auf ihn so arrogant wirkten und er keinen Bezug zu ihnen fand. So ritt er in der zweiten Woche wieder zum Brunnen und versuchte wieder ein Esel zu werden, doch der Brunnen sagte: "Du wolltest unbedingt ein Pferd werden also bleibst du es jetzt auch noch zumindest für deine verbleibenden 2 Wochen."
2 Wochen später:
Der "Esel" war richtig dick geworden, weil er nichts getan hat außer den ganzen Tag Gras zu essen. Er freute sich schon richtig wieder ein Esel zu werden und ritt an diesem besagten Tag wieder zum Wunschbrunnen. Dieser erfüllte ihm seinen Wunsch. Als der Esel wieder ein Esel war fragte der Brunnen ihn: " Und was lernst du daraus?". Der Esel antwortete: " Ich glaub ich sollte zufrieden sein mit dem was ich bin."
Er lebte sein Leben als Esel weiter und war nun richtig froh auch wenn die Arbeit manchmal anstrengend war. Besonders gut ging es ihm wenn er Pferde auf einer Weide liegen sah. Seine Freunde mochten ihn nun auch und er merkte, dass er eigentlich Glückspilz ist so gute Freunde zu haben.
 
Warum Hund und Katze Feinde sind
Ein Mann und eine Frau besaßen einen goldenen Ring. Es war ein Glücksring, und wer ihn besaß, litt niemals Not. Der goldene Ring aber sah sehr unscheinbar aus, der Mann und die Frau kannten seine Kräfte nicht und verkauften ihn um wenig Geld. Kaum aber hatten sie den Ring fortgegeben, als das Unglück begann. Schließlich waren sie so arm geworden, dass sie nicht mehr wussten, was sie am nächsten Tag essen sollten. »Seit der Ring fort ist, hat das Glück unser Haus verlassen«, seufzte der Mann. »Es muss ein Glücksring gewesen sein«, sagte die Frau, »hätten wir ihn doch niemals verkauft!« Und sie sah traurig auf ihre beiden Haustiere, einen Hund und eine Katze, die mit ihnen Hunger leiden mussten. Hund und Katze aber hatten die Worte der Menschen verstanden. »Was sollen wir tun?« fragte die Katze. »Unsere Herrin war immer gut zu uns«, sagte der Hund. »Und wir hatten stets genug zu fressen«, schnurrte die Katze. Die beiden Tiere saßen ratlos nebeneinander. Schließlich sagte der Hund: »Wir wollen den Ring unserem Herrn und unserer Herrin wieder zurückbringen.«
»Aber er liegt wohlverwahrt bei seinem neuen Besitzer, in einen festen Kasten eingeschlossen«, sagte die Katze. »Ich weiß, was wir tun müssen«, meinte der Hund. »Fang du eine Maus, und versprich ihr, sie am Leben zu lassen, wenn sie ein Loch in den Kasten nagt und den Ring herausholt.« Dieser Rat gefiel der Katze. Sie fing eine Maus, und mit der gefangenen Maus im Maul wanderten Hund und Katze zum Haus des neuen Besitzers des Ringes. Der Weg war weit und sie kamen zu einem großen Fluss. Als die Katze den großen Fluss sah, setzte sie sich niedergeschlagen ans Ufer, denn sie konnte nicht schwimmen. Aber der Hund wusste wieder Rat. »Spring auf meinen Rücken«, befahl er, »ich will mit dir hinüberschwimmen.« So geschah es. Die Katze lief mit der Maus im Maul zum Haus, in dem der Kasten mit dem Ring stand. »Wenn du willst, dass ich dich nicht fresse«, sagte die Katze zur Maus, »so nage geschwind ein Loch in die Kastentür und bring mir den Ring, der darin liegt.« Die Maus nagte eifrig, schlüpfte durch das Loch und kam mit dem Ring wieder heraus. Nun nahm die Katze den Ring ins Maul und lief zurück zum Fluss. Der Hund hatte dort auf sie gewartet, sie sprang auf seinen Rücken, und er trug sie über den Strom. Vergnügt und fröhlich wanderten sie dann heimzu. Die Katze war so ungeduldig, dass sie über alle Zäune sprang, über die Dächer kletterte und den Hund weit zurückließ, der um jedes Haus und um jeden Garten einen Bogen machen musste. So kam die Katze früher heim als der Hund, lief zu der Herrin und legte ihr den Ring in den Schoß. »Sieh«, rief die Frau ihrem Mann zu, »unsere Katze hat uns den Glücksring zurückgebracht! Das gute Tier! Wir wollen ihr immer genug zu fressen geben und sie pflegen wie unser eigenes Kind.« Nach einiger Zeit kam auch der Hund, müde und staubbedeckt vom weiten Weg. »Du achtloses Tier!« rief die Frau. »Wo hast du dich herumgetrieben? Warum hast du der treuen Katze nicht geholfen, die uns den Glücksring zurückgebracht hat?« Sie schalt und schlug ihn, und die Katze saß beim Herd, schnurrte und sagte kein Wort. Da wurde der Hund böse auf die Katze, und er vergaß niemals, dass sie ihn um seinen Lohn betrogen hatte.
Seit jener Zeit sind Hund und Katze einander Feind.
 
Der kluge Kater und die dummen Affen
Der Kater saß vor dem Haus und schlummerte im Sonnenschein. Da kamen Affen herbeigelaufen, begannen zu schreien und weckten den Kater. Sie sprangen auf den Bäumen umher, krochen auf das Dach und liefen wie wild durch den Garten. Den Kater ärgerte das, und er sagte: »Macht hier, was ihr wollt, nur schlagt, bitte, nicht an die Glocke dort, die dem Großväterchen gehört«, und er zeigte auf den Baum, wo ein großes Wespennest hing. »Die Glocke des Großväterchens?« wunderten sich die Affen. »Und warum denn?« »Das ist keine gewöhnliche Glocke«, sagte der Kater. »Großväterchen läutet sie nur dreimal im Jahr, an den höchsten Feiertagen, Wenn ihr an sie schlagt, wird die Glocke läuten, und Großväterchen wird sich ärgern.« »Soll er sich ärgern«, lachten die Affen. »Wir werden dem Großväterchen schon entwischen!« »Macht, was ihr wollt«, sagte der Kater. »Doch wartet, bis ich auf den Dachboden geklettert bin, ich will nichts damit zu tun haben.« »Der Kater kletterte auf den Dachboden; die Affen nahmen Flegel und schlugen auf des Wespennest ein. Das war eine tolle Geschichte! Die Wespen flogen heraus und stachen die Affen in die Köpfe und in die Beine, wo es nur ging. Und die Affen rannten, rannten, bis sie endlich in den Fluss sprangen und so den Wespen entkamen. Aber noch einige Tage lang brannte ihnen der ganze Körper.
 
Der Affe als Schiedsrichter
(Fabel aus Korea)
Ein Hund und ein Fuchs erblickten gleichzeitig eine schöne große Wurst, die jemand verloren hatte, und nachdem sie eine Weile unentschieden darum gekämpft hatten, kamen sie überein, mit der Beute zum klugen Affen zu gehen. Dessen Schiedsspruch sollte gültig sein.
Der Affe hörte die beiden Streitenden aufmerksam an. Dann fällte er mit gerunzelter Stirn das Urteil: »Die Sachlage ist klar. Jedem von euch gehört genau die halbe Wurst!« Damit zerbrach der Affe die Wurst und legte die beiden Teile auf eine Waage. Das eine Stück war schwerer. Also biss er hier einen guten Happen ab. Nun wog er die Stücke von neuem. Da senkte sich die andere Schale; happ-schnapp, kürzte er auch diesen Teil. Wiederum prüfte er sie auf Gleichgewicht, und nun musste wieder die erste Hälfte ihr Opfer bringen. So mühte der Affe sich weiterhin, jedem sein Recht zu schaffen. Die Enden wurden immer kleiner und die Augen von Hund und Fuchs immer größer. Schließlich, rutsch-futsch! war der Rest hier und dort verschlungen.
Mit eingeklemmten Ruten schlichen Hund und Fuchs in verbissener Wut davon. In gehöriger Entfernung fielen sie übereinander her und zerzausten sich.
 
Die weise Krähe
(Fabel aus Nord-Amerika – von den Inuit)
Die Ur-Krähe hat das Eskimoland erschaffen. Als sie die Insel Nunivak ziemlich fertig gestellt hatte, wollte ihr Helfer, der Ur-Nerz, auf der Südseite einen großen Berg aufschütten. Er sagte: »Er soll dem Geschlecht der Eskimos, die hier künftig wohnen, zu dauernder Freude dienen. Er wird eine besondere Kraft haben. Die alten Männer und Frauen sollen auf ihn gebracht werden. Wenn sie dann den Abhang hinunterrollen, werden sie junger und jünger werden, und wenn sie unten ankommen, mögen sie wieder Kinder sein.« »Das wäre nicht gut!« erwiderte die Krähe, »denn bedenke: wenn niemand stirbt und außerdem immer neue Menschen geboren werden, so wird bald zuviel Volk sein, und man wird nicht genug zu essen haben.« »Ich wüsste einen Ausweg«, schlug der Nerz vor, »Wir verwandeln alle Eisberge in Talg und füllen die vielen Teiche und Seen mit Tran!« »Das dürfen wir den Menschen nicht antun!« lehnte die Krähe entschieden ab, »denn sie müssen sich ihre Nahrung erarbeiten, sonst werden sie schlecht«
 
Die Geschichte der Friedenspfeife
(Mythos der Sioux)
Zwei junge Männer schlenderten durch die Nacht und redeten von ihren Liebesaffären. Sie gingen um einen Hügel und kamen zu einer kleinen Schlucht. Plötzlich sahen sie eine wunderschöne Frau aus der Schlucht kommen. Sie sah aus wie gemalt und ihr Kleid war von der feinsten Stoff. "Was für ein schönes Mädchen!" sagte einer der jungen Männer. "Ich liebe sie. Ich werde sie stehlen und sie zu meiner Frau machen." "Nein", sagte der andere. "Wir dürfen ihr nichts tun denn sie könnte heilig sein." Die junge Frau kam näher und hielt eine Pfeife in ihren ausgestreckten Händen welche sie zum vorher zum Himmel, dann lange Richtung Erde streckte. "Ich weiß was ihr beiden junge Männer gesagt habt. Einer von euch ist gut, der andere ist böse", sagte sie. Sie legte die Pfeife auf dem Boden und auf einmal wurde sie zu einer Büffelkuh. Die Kuh stampfte auf den Boden, streckte ihren Schwanz gerade nach hinten. Dann hob sie die Pfeife mit ihren Hufen wieder vom Boden auf und wurde sofort wieder zu einer jungen Frau. "Ich bin gekommen, um Euch dieses Geschenk zu überreichen", sagte sie. "Es ist die Pfeife des Friedens. Nach allen Verträgen und Zeremonien soll sie geraucht werden. Sie wird euch friedliche Gedanken in eure Köpfe bringen. Dieses soll ein große Geheimnis sein was Mutter Erde euch anbietet." Die beiden jungen Männer liefen in das Dorf und erzählten, was sie gesehen und gehört hatten. Das ganze Dorf lief dorthin wo die junge Frau gesehen wurde. Die junge Frau wiederholte was sie schon den jungen Männern gesagt hatte und fügte hinzu: "Wenn ihr den Geist befreien möchtest, den Geist eurer verstorbenen Ahnen, so musst ihr ein weißes Büffelfell besitzen." Sie übergab die Pfeife den Medizin-Männer des Dorfes, verwandelte sich wieder ein Büffel Kuh und floh in das Land der Büffel.
 
Die Schöpfungsgeschichte der Lakota
(Lakota-Sioux Mythos)
Vor langer Zeit, vor wirklich langer Zeit, da war die Welt noch frisch erschaffen, da kämpfte das Wasser-Monster Unktehi gegen die Menschen und verursachte eine große Flut. Vielleicht war der Große Geist, Wakan Tanka, aus irgendeinem Grund über uns verärgert. Vielleicht ließ er deshalb Unktehi siegen, weil er den Mensch besser machen wollte. Das Wasser stieg höher und höher. Schließlich war alles, außer dem Hügel neben der Stelle, wo der heilige rote Pipestone Steinbruch heute liegt, unter Wasser. Die Leute kletterten dort hinauf, um sich zu retten, aber es nützte nichts. Das Wasser fegte über den Hügel. Wellen stürzten über die Felsen und Zinnen und schleuderte sie auf die Menschen. Jeder wurde getötet, und all das Blut sammelte sich in einem großen See. Das Blut floss zum Steinbruch und schuf den Pipestone, das Grab jener Großen Alten. Deshalb ist das Rohr aus dem roten Stein uns so heilig. Die rote Schale ist das Fleisch und Blut unserer Vorfahren, ist sein Stamm das Rückgrat der Menschen schon lange tot, steigt der Rauch aus ihm den Atem ist. Ich sage euch, dass Chanunpa, die heilige Pfeife, lebendig wird, wenn man sie in einer Zeremonie verwendet, Du wirst ihre Macht erkennen. Unktehi, das große Wasser-Monster, war auch in Stein verwandelt. Vielleicht hatte ihn Tunkshila, der Großvater Geist, für die Herstellung der Sintflut bestraft. Seine Knochen sind jetzt in den Badlands. Sein Rücken bildet einen langen Höhenrücken, und in einer großen Reihe von gelben und roten Felsen kann man seine Wirbel herausragen sehen. Ich habe sie gesehen. Ich erschrak, als ich auf diesem Grat war, denn ich fühlte Unktehi. Es war, als ob er sich unter mir bewegte; als wollte er sich auf mich stürzen. Als alle Menschen getötet wurden vor so vielen Generationen, überlebte ein Mädchen, ein schönes Mädchen. Das geschah so: Als das Wasser über den Hügel fegte, über den sie versuchten zu flüchten, packte sie der große Schreiadler, Wanblee Galeshka, an den Füßen und flog mit ihr zu der Spitze eines hohen Baumes, der auf dem höchsten Gipfel in den Black Hills stand. Das war des Adlers Zuhause, der einzige Ort, der nicht mit Wasser bedeckt war. Wenn die Menschen nach dort oben gekommen wären, hätten sie überlebt, aber der Fels war glatt und steil. Mein Großvater erzählte mir, dass der Fels vielleicht nicht in den Black Hills war, vielleicht war es der Devil's Tower in Wyoming, so wie die weißen Männer es nennen. Beide Orte sind heilig. Wanblee behielt das schöne Mädchen bei sich und machte es zu seiner Frau. Damals gab es eine enge Verbindung zwischen Menschen und Tieren, so konnte er es zu tun. Die Frau des Adlers wurde schwanger und gebar ihm Zwillinge. Einen Jungen und ein Mädchen. Sie war glücklich und sagte: „Jetzt werden wir die Menschen wieder haben. Washtay, das ist gut.“ Die Kinder waren recht, oben auf der Klippe, die geboren. Als das Wasser endlich nachließ, half Wanblee den Kinder und ihrer Mutter von seinem Felsen und legte sie auf die Erde und sagte zu ihnen: „Werdet zu einer Nation, zu einer großen Nation - den Lakota Oyate." So wuchsen der Junge und das Mädchen auf. Er war der einzige Mann auf der Erde, sie die einzige Frau im gebärfähigen Alter. Sie heirateten und bekamen Kinder. Eine Nation wurde geboren. So stammen wir vom Adler ab. Wir sind eine Adler Nation. Darauf können wir stolz sein, denn der Adler ist der weiseste der Vögel. Er ist der der Bote des Großen Geistes, er ist ein großer Krieger. Deshalb trugen wir immer den Adler auf der Fahne, und tragen ihn noch immer. Wir sind eine große Nation. Ich bin es, Lame Deer, der dies sagte. .
 
Mateo Tepee:
(übersetzt: Heim des Grizzly-Bären / englischer Name: "Devils Tower")
(Legende der Kiowa)
Eines Tages campierte eine Gruppe der Kiowa in der Nähe eines Flußes und sieben Indianermädchen spielten in der Nähe. In dieser Region hausten sehr viele Bären und einer der Bären begann die Mädchen zu verfolgen. Sie liefen in die Richtung zum Dorf zurück aber der Bär kam immer näher. Die Mädchen sprangen auf einen kleinen Felsen von 1Meter Höhe und begannen zu beten: "Hab Mitleid mit uns, schütze uns." Der Felsen hörte die Hilferufe der jungen Mädchen und begann zu wachsen, wurde höher und höher bis er schließlich so groß war, daß der Bär die Mädchen nicht mehr erreichen konnte. Der Bär krallte sich an den Felsen und sprang um die Mädchen zu erreichen, brach sich die Krallen und fiel zu Boden. Der Bär versuchte es erneut und sprang und krallte sich fest, immer wieder und wieder. Um die Jungfrauen auf ewig zu beschützen, erlaubte ihnen dann der Große Geist, als die 7 Schwestern, die am Himmel zu bleiben (die Plejaden). Die Spuren der Krallen des Bären sieht man heute noch.

Edit:
Was man dabei nicht vergessen darf: Es gibt die griechische Variante für die Plejaden. Auch hier ist die Rede von den 7 Schwestern, den Plejaden. Es sind die 7 Töchter von Atlas und Pleione. Sie heißen Alcyone, Merope, Electra, Celaeno, Taygeta, Maia und Asterope. Sie waren die jungfräulichen Begleiterinnen der Göttin Artemis, die Orion über die Wiesen Böotiens verfolgte, bis sie in Tauben, den Plejaden verwandelt wurden. Als Tauben hatten sie die Aufgabe den Göttervater Zeus mit Ambrosia zu versorgen. Doch ein Felsentor, das sie auf ihrem Weg passieren mussten, wurde ihnen zum Verhängnis. Immer wieder bezahlte eine der Tauben ihren Flug mit ihrem Leben und wurde von Zeus wieder ersetzt. Zum Dank für ihre Taten wurden sie dann als Siebengestirn in den Himmel versetzt.

Bei den neuseeländischen Maori wird das Sternbild der Plejaden „Matariki“ genannt. In der polynesischen Kultur war das Sternbild bedeutsam für die kalendarische Festlegung der korrekten Termine von Aussaat und Pflanzung. Sie bestimmten auch die Jahreseinteilung, denn mit ihrem und dem Aufgang des Sternes Rigel am nächtlichen Himmel, kurz vor dem Sonnenaufgang im späten Mai, endete das alte Jahr und das neue begann. So erfüllten auch hier die Plejaden gleich mehrere Funktionen. Für das Volk, das über zahlreiche Inseln verstreut lebte, war die Navigation auf hoher See von zentraler Bedeutung. Deshalb vermuten Wissenschaftler, dass Plejaden auch hier eine wichtige Rolle spielten, denn ihr Name leitet sich wahrscheinlich von Mata-riki, die kleinen Augen ab.

Dies bestätigt auch der griechische Dichter Homer im 5. Gesang seiner Schilderung der Seefahrt von Odysseus nach Ithaka. Hier beschreibt ganz nebenbei die damalige Navigation der Seeleute unter Zuhilfenahme von bekannten Sternpositionen, die in Sterntafeln verzeichnet waren: `Auf die Plejaden gerichtet und auf Bootes gerichtet, der langsam untergeht, und auf den Bären, den andre den Wagen benennen, Welcher sich im Kreise dreht, den Blick nach Orion gewendet … `,

Geologie:
Das „Devils Tower National Monument“ wurde bereits am 24. September 1906 durch Präsident Theodore Roosevelt eingerichtet. Es liegt am Ende der „Bear Lodge Mountains“ bei den Ausläufern der „Black Hills“ im Osten des Bundesstaats Wyoming, nicht weit von der Grenze zu South Dakota.
Der Berg hat einen Durchmesser von fast 150 Metern und überragt das Umland um 265 Meter. Seine imposante Erscheinung ist der Erosion zu verdanken: Er besteht aus Vulkangestein, die auffälligen, meist sechseckigen Lavasäulen sind deutlich zu erkennen. Im Laufe der Jahrmillionen wurde das umgebende, weichere Gestein des ursprünglichen Vulkans abgetragen, während das harte Vulkangestein des Devils Tower der Erosion widerstand und einen turmartigen Berg herausbildete. Bekannt wurde der „Devils Tower“ durch die Sioux-Legende - und durch den Steven Spielberg-Film „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (Close Encounters oft the Third Kind / 1977).
 
Die vergessene Ähre
(Sioux-Mythos)
Eine Frau sammelte einmal Getreide vom einem Feld damit sie im Winter genug zum Leben hatte.
Sie riss die Ähren vom Stiel und steckte sie in ein gefaltetes Tuch. Als sie alle Ähren aufgesammelt hatte wollte sie gehen aber sie hörte wie mit schwacher Stimme ein Kind weinte und es rief: "Oh, lass mich nicht hier! Geh nicht weg, ohne mich." Die Frau war erstaunt. "Wessen Kind kann das sein?" fragte sie sich. "Wer hat das Kind im Kornfeld verloren?" Sie legte ihr Tuch, in dem sie ihr Korn eingesammelt hatte, nieder und ging auf die Suche, aber sie fanden nichts. Als sie wieder gehen wollte hörte sie wieder die Stimme: "Oh, lass mich nicht hier. Geh nicht weg, ohne mich." Sie suchte für eine lange Zeit. Endlich, in einer Ecke des Feldes, unter den Blättern und Ästen versteckt, fand sie eine kleine Ähre. Diese war es die geweint hatte. Aus diesem Grund sammeln alle indianschen Frauen seit dem ihre Ernte sehr sorgfältig ein so dass die saftigen Nahrungsmittel, sollten sie nicht bis auf den letzten kleinen Halm eingesammelt sein, vernachlässigen oder verschwenden. So entstand das große Geheimnis der vergessenen Ähre.
 
Die Maismutter
(Creek-Legende)
Kurz nachdem die Welt erschaffen war, lebten die Indianer in einfachen Hütten, zogen im Lande umher und suchten mühsam ihre Nahrung, wo sie sie finden konnten. Eines Tages tauchte in einem Lager am Ufer eines Flusses eine alte Frau auf, die sehr abgerissen und halb verhungert aussah. Die Männer waren alle auf der Jagd, und die meisten Frauen und Mädchen sammelten am Flussufer Wurzeln und Wildgemüse. Nur ein paar Kinder und junge Mädchen waren im Lager geblieben, um das Feuer zu unterhalten. Als sie das alte Weib sahen, sagten sie zu ihr: "Hier ist kein Platz für dich." Warum gehst du nicht ins nächste Lager? Wir haben nichts zu verschenken." Ohne ein Wort zog die Alte weiter und war bald im Walde verschwunden. Aber im nächsten Lager erging es ihr nicht anders, auch hier wollte man nichts von ihr wissen und schickte sie fort. Auch im dritten Lager sah man sie mit Verachtung an. Schließlich kam sie an ein Lager, das nur aus ein paar Reisighütten bestand, die den Mitgliedern des Alligator-Clans gehörten. Der Alligator-Clan spielte keine eben bedeutende Rolle im Stamm, und daher zierten weder Kriegstrophäen noch kostbare Felle die Hütten seiner Mitglieder. Als die Alte bescheiden und schüchtern um Nahrung und einen Platz am Feuer bat, sagten die Frauen: "Komm her, Alte, hier bei uns ist Platz genug, und etwas zu essen wird sich auch schon noch finden lassen. Du musst einen langen Weg hinter dir haben und recht hungrig sein". Nachdem die alte Frau gegessen hatte, ließen sie sie am Feuer schlafen, denn dort war der beste Platz. Am nächsten Morgen zogen die Männer des Alligator-Clans wie gewöhnlich hinaus in den Wald, um Hirsche zu jagen, während die Frauen Wurzeln und Beeren suchen gingen. Der alten Frau vertrauten sie das Lager an, damit sie das Feuer nicht ausgehen lasse und auf die Kinder ein Auge habe. Niemand kannte die Alte, doch vertraute ihr jeder, denn bei den Creek-Indianern war noch nie etwas weggekommen. Niemand fürchtete daher, dass die Alte etwas stehlen könnte. Die alte Frau aber war die Maismutter selbst, die in dieser unscheinbaren Gestalt auf die Erde gekommen war. Als die Männer und Frauen gegen Abend zurückkehrten, erklärten die Kinder, dass sie bereits gegessen hätten. Voller Erstaunen hörten die Erwachsenen: "Die alte Frau hat für uns alle zu essen gehabt! Und ihr Essen schmeckt besser als die Wurzeln und Beeren, die wir sonst bekommen". Da sagte der Clan-Älteste zu den Kindern: "Sagt der Alten, dass sie mir etwas von ihrem Essen aufheben soll, denn ich bin gespannt, was das wohl sein könnte." Aber auch er musste am nächsten Abend zugeben, dass der Brei besser schmeckte als alles, was er bisher gekostet hatte. Vergeblich bemühte er sich, hinter das Geheimnis der alten Frau zu kommen, aber alle Anstrengung war vergeblich. Er fand nie heraus, woher die fremde Frau die Zutaten zu ihrem Essen nahm. Eines Tages war die Alte verschwunden; ebenso plötzlich, wie sie erschienen war, hatte sie das Lager verlassen. Niemand hatte sie fortgehen sehen, und niemand konnte sagen, wohin sie wohl geraten war. Einer der Jungen jedoch konnte den Geschmack des seltsamen Mahles, das die Alte gekocht hatte, nicht vergessen. Kaum hatte er die Kriegerweihen hinter sich, da beschloss er, auf die Suche nach der alten Frau zu gehen, die ja gewiss nicht weit sein konnte. Lange wanderte er im Lande umher, durchwatete Flüsse, stieg über Bergketten und durchzog Wälder und Sümpfe. Aber in keinem Lager, an das er kam, wusste man etwas von der alten Frau. Als er eines Abends entmutigt und niedergeschlagen ganz allein am Feuer saß, übermannte ihn der Schlaf. Als er aufwachte, stand vor ihm eine alte Frau mit weißem Haar, das ihr bis über den Rücken herabhing. Der junge Krieger war sehr erschrocken, denn er fürchtete, einem Zauberwesen ausgeliefert zu sein. Erst als die Alte näher ans Feuer trat, erkannte er die Langgesuchte. Freudig begrüßte er sie und flehte sie an, doch mit ihm wieder ins Lager des Alligator-Clans zurückzukehren. Die Alte aber wehrte ab und sprach: "Ich kann nicht bei dir bleiben, doch wenn du meinen Rat befolgst und tust, was ich dir auftrage, wirst du mich nie vermissen." Darauf führte sie den jungen Krieger an eine Stelle am Fluss. Hier stand das gelbe vorjährige Gras hüfthoch. "Lege Feuer an und brenne das Gras ab," befahl sie, "frage nicht nach dem Grunde, du wirst schon sehen." So tat der junge Krieger ihr den Gefallen und legte einen Feuerbrand an jene Stelle. Bald stoben die Funken himmelhoch, und knatternd fraß sich das Feuer durch die Lichtung; bald war von dem Gras nur noch die Asche übrig. Da sprach die Alte wiederum: "Nimm mich bei den Haaren und schleife mich kreuz und quer über die verbrannte Erde. Überall dort, wohin du mich schleifst, wird neues Gras aus dem Boden schießen; zwischen den Blättern aber wirst du mein Haar hervorschauen sehen. Wenn das der Fall ist, dann ist der Samen reif. Das ist das Geheimnis der Speise, deretwegen du so weit gewandert bist." Der Krieger machte sich sogleich an die Arbeit und schleppte die Alte an den Haaren über die Lichtung. Kreuz und quer ging der Weg, bis auch nicht ein Stückchen des Bodens unberührt geblieben war. Kaum hatte er seine Arbeit beendet, da war die Frau aus seinen Händen verschwunden. Langsam ging er zum Feuer zurück und überdachte das Erlebnis. Als der junge Krieger am nächsten Morgen wieder auf die Lichtung trat, stand dort ein seltsames Gras, das ihm bis über den Kopf reichte. Überall zwischen den Blättern aber sah er ein Stückchen von dem Haar der alten Frau. Bis zum heutigen Tage tragen die Maiskolben am oberen Ende einen Haarschopf, und die Indianer wissen, dass die Maismutter sie nicht vergessen hat.
 
Die Geschichte vom alten Pferd
(Pawnee-Legende)
Es war die Zeit als die Bison noch die Prärie bevölkerten, da lebte in einem Lager eine alte Frau, die nichts besaß außer ihrem Enkel. Dieser Junge war freundlich und hilfsbereit, aber leider wollte niemand etwas mit ihm zu tun haben, denn er hatte kein Pferd noch Kriegsschmuck und lebte von dem, was andere fortwarfen oder übrig ließen. Jedes Mal, wenn das Lager wechselte, suchte der Junge zusammen mit der alten Frau den Lagerplatz ab und sammelte, was brauchbar erschien. So lebten die beiden, von den anderen gemieden und verachtet. Eines schönes Tages, als sie wiedermal die letzten waren, weil sie ihre Habseligkeiten selbst tragen mussten, stand am Wege plötzlich ein altes Pferd, das sehr herunter gekommen aussah und sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. So wie es aussah, hat es ein anderer vom Stamm zurückgelassen, weil es zu alt war, um mit den übrigen Schritt zu halten. Das Tier bot einen wirklich schrecklichen Anblick, ein Auge schien blind zu sein, das andere starrte glanzlos und unbeteiligt, der Rücken war voller Schriemen und die Rippen schienen fast durch das struppige Fell zu kommen. „Nun“, sagte die alte Frau und musterte das Pferd misstrauisch, „unsere paar Sachen wird er hoffentlich noch tragen können.“ So packte sie dem Pferd ihre schmalen Bündel auf den Rücken und machte sich daran, das alte Pferd anzutreiben. Als es Abend wurde, hatten sie endlich die anderen eingeholt. Dort, wo der große Felsen ins Wasser ragt und der Fluss sich nach Norden wendet, stand auch diesmal wieder das Lager, denn seit alters her war hier ihr Lagerplatz für die herbstliche Bisonjagd. Von hier zogen die einzelnen Gruppen in die Prärie, um Beute zu machen für den Winter. Als die alte Frau mit dem Jungen und dem alten Pferd durchs Lager kamen, wunderten sich die Menschen, dass das alte Pferd noch nicht tot umgefallen war. Schon immer war der Junge dem Spott der anderen ausgesetzt, aber nun, seitdem er das Pferd hatte, schien es nur noch schlimmer zu sein. Früher lachte man wohl über seine ärmliche und zerrissene Kleidung, jetzt aber hielten sich die Krieger den Bauch vor Lachen, wenn sie den Jungen auf dem halb toten Pferd kommen sahen. Am nächsten Morgen kamen die Späher zurück und berichteten von einer großen Bisonherde mit einem weißen Kalb. Als der Häuptling das hörte, versprach er dem Jäger, der ihm das weiße Kalb bringe, dass dieser seine Tochter zur Frau haben könne. Denn eine weiße Bisonhaut ist Tiwar-uks-ti, Große Magie. Während die Krieger sich fertig machten zur Jagd, bestieg auch der Junge sein altes Pferd, nahm die alte Bisonlanze zur Hand und ritt am Schluss des Zuges zum Lager hinaus. Die Krieger ritten ihre besten Pferde und als sie den Jungen mit seinem alten Pferd bemerkten, riefen sie: „Schaut! Dort ist das Pferd, das das weiße Fell heimtragen wird“! Dabei lachten sie aus vollem Halse. Der Junge aber blieb zurück, um das Gerede nicht hören zu müssen. Nach einer Weile hatte er die Krieger aus den Augen verloren und ritt alleine auf die Bisonherde zu. Da begann das alte Pferd plötzlich zu sprechen und sagte: „Reite mich an den Bach dort und bedecke mich mit Schlamm.“ Als er das Pferd über und über mit Schlamm beschmiert hatte, sagte das Pferd: „Steig auf, bleib aber hier am Bach, bis ich dir ein Zeichen gebe. Reite nicht den Kriegern nach, die sich über dich lustig machen“. Unterdessen waren die Krieger an einem Hügel angekommen, von wo man die Bisonherde übersehen konnte. In einer langen Reihe warteten die Krieger hinter dem Hügel, bis der Häuptling das Zeichen gab. Selbst die Pferde schienen zu wissen, um was es heute ging, sie waren nämlich kaum zu halten. Aber nach einer Weile gab der Häuptling das Zeichen, „Vorwärts!“ Und aus dem Stand gingen die Pferde in den Galopp über, zu beiden Seiten des Hügels brachen die Krieger hervor, um die Bisonherde einzukreisen. Plötzlich sahen sie von der entgegengesetzten Seite einen Reiter auf einem braunem Pferd über die Prärie galoppieren! In Windeseile flogen Pferd und Reiter auf die Bisonherde zu, einen Augenblick später waren beide zwischen den Leibern der Bisons verschwunden. Da tauchte der Reiter über den Rücken der Bisons auf, die Lanze blitzte in der Sonne und dann war das weiße Kalb nicht mehr zu sehen! Erschrocken setzten sich die Bisons in Bewegung. Donnernd raste die Herde vorbei, während der einsame Reiter zwei weitere Bisons zu Boden streckte. Dann sahen die Krieger ihn absteigen. Als der Reiter bei den Bisons war begann er das weiße Kalb auszuweiden und abzuhäuten. Sein Pferd aber stand dabei, den Kopf erhoben, vom alten Pferd war nichts mehr zu sehen, jung und feurig, mit geradem Rücken stand der Braune da. Der Junge belud das Pferd mit dem Fleisch, legte die weiße Bisonhaut zuoberst und führte sein Pferd zum Lager zurück. Da überholte ihn ein junger Krieger, der meinte zu dem Jungen: „Ich gebe dir zwölf Pferde für deine Beute“, denn er hatte es sich in den Kopf gesetzt, die Tochter des Häuptlings zu heiraten. Der Junge aber lachte ihn aus und lehnte das Angebot von zwölf Pferden ab. Im Lager hatte sich inzwischen die Nachricht vom Erfolg des Jungen verbreitet und einer der Krieger meinte zu der alten Frau: „Dein Enkel hat das weiße Kalb erlegt.“ Aber die alte Frau schenkte ihm keine Beachtung und glaubte nicht, was er sagte. Sie dachte, dass man sie nur verspotten wolle. „Warum ärgerst du mich mit solchen Aussagen?“ sagte sie. „Was habe ich dir getan, dass du mich so respektlos behandelst?“ Selbst als ein zweiter Krieger mit der gleichen Nachricht zu ihr kam wollte sie es nicht glauben. Erst als die gleiche Geschichte zum dritten Male ihr zugetragen wurde, sagte sie nur: „Lasst uns doch in Frieden!“ Sie verteidigte ihren Enkel: „Der Junge kann ja nichts dazu, dass wir so arme Menschen sind!“ Plötzlich stand der Junge vor ihr. „Hier“, sprach er, „ich habe uns etwas Tolles mitgebracht. Heute und morgen brauchen wir nicht zu hungern“. Dann begannen sie das Pferd abzuladen, was eigentlich Frauensache war. Die alte Frau konnte nicht glauben, was sie sah, sie wunderte sich über die plötzliche Veränderung des Pferdes, immer wieder fragte sie, ob das auch das gleiche Pferd sei. In der darauffolgenden Nacht begann das Pferd wieder zu sprechen: „Morgen früh kommen die Lakota, um das Lager anzugreifen. Wenn du die Krieger des Feindes kommen siehst, dann nimm mich und reite mitten in sie hinein. Hab keine Angst, denn nichts wird dir passieren, wenn du dort bist, wirst du den Häuptling der Lakota finden und töten. Viermal darfst du unbeschadet angreifen, dann aber bleibe zurück. Wenn du es ein fünftes Mal versuchst, so wirst du selbst getötet oder aber mich verlieren.“ Als der Morgen anbrach kamen die Wachen ins Lager und gaben Alarm. Vor dem Lager sah man die Lakota kommen, laut durchschnitt ihr Kriegsgeschrei die Morgenluft. Die Pawnees hatten kaum Zeit, ihre Schlachtlinie zu formieren, als der Junge auf seinem Pferd bereits vorpreschte, den Tomahawk in der Hand. Als die Lakota sahen, dass der einzelne Reiter es auf den Kriegshäuptling abgesehen hatte, überzogen sie ihn mit einem Hagel von Pfeilen. Doch unversehrt erreichte der Junge den Häuptling und ritt wenige Augenblicke später zu den eigenen Reihen zurück, einen frischen Skalp am Gürtel. Dreimal noch stürmte er in das Gewühl und jedesmal erbeutete er einen Skalp. Als er zum fünften Mal angriff, brach das Pferd unter ihm im Pfeilhagel zusammen und der Junge rettete nur knapp sein eigenes Leben. Die Lakota aber, die wohl ahnen mochten, dass es mit dem Pferd eine besondere Bewandtnis haben müsse, schnitten dieses in kleine Stücke, die sie überall verstreuten. Erst am Abend zogen sich die Lakota zurück. Als der nächste Tag anbrach suchte der Junge nach der Stelle, an der sein Pferd zusammengebrochen war. Als er sie schließlich gefunden hatte, sammelte er alle Reste, die er finden konnte, legte sie auf einen Haufen und ging anschließend auf einen Hügel, der in der Nähe des Schlachtfeldes lag. Dort zog er seinen Umhang aus Bisonleder über den Kopf und trauerte um sein Pferd. Selbst als es zu regnen begann, achtete er nicht auf das Gewitter, sondern behielt die Überreste seines Pferdes im Auge. Als es Nacht wurde kam ein zweites Gewitter auf und wieder prasselte der Regen nieder. Der Junge aber hatte nur Augen für sein Pferd. Als ein drittes Gewitter so starken Regen brachte, dass man kaum die Hand vor Augen sah, schien es als habe sich der Knochenhaufen des Pferdes verändert. Von der Stelle, wo der Junge saß, sah es so aus, als ob dort ein Pferd lag, aber das konnte auch eine Täuschung sein. Während ein viertes Gewitter begann, sah der Junge auf dem Hügel, wie sein Pferd plötzlich aufstand und zu ihm schaute! Der Junge lief sofort durch den Regen zu seinem Pferd und als er es schließlich erreichte, hörte er es sagen: „Jetzt weißt du, wie du dich zu verhalten hast. Der Große Geist hat mich zurück geschickt, um an deiner Seite zu sein, um dich daran zu erinnern, dass du alles machst, was ich dir auftrage. Wenn du aber nicht auf mich hörst, wirst du mich wieder verlieren.“ Der Junge hörte auf den Rat und tat fortan nichts, was ihm nicht von seinem Pferd gesagt wurde. Die Tochter des Häuptlings wurde seine Frau und später wählten die Pawnee ihn zum Häuptling. Das Pferd aber hielt er in Ehren, nur an besonderen Tagen ritt er auf ihm durchs Lager. Viele Jahre war der Junge, der nun ein Krieger war, Häuptling der Pawnees und als er schließlich starb, wickelte man ihn in die weiße Bisonhaut und legte seinen Körper auf ein Holzgestell mit einer Plattform, so wie es der Große Geist verlangte. Denn nicht in der dunklen Erde sollten seine Knochen verrotten, sondern in den Weiten der Prärie und der Himmel sollte über sein Grab wachen. Das Pferd aber war von da an verschwunden und niemand wusste, wohin es gegangen war, niemand hat es je wiedergesehen!